Fußball ist hierzulande der Volkssport Nummer 1. Manifestiert wird dies nochmal durch den diesjährigen Weltmeistertitel in Brasilien. Doch der technische Fortschritt macht auch vor dem Fußball keinen Halt. (Foto: rtr)
Am heimischen TV hat das Erlebnis Fußball eine enorme Entwicklung durchgemacht. Erlebte man in der Bundesrepublik den WM-Triumph 1954 um Fritz Walter und Helmut Rahn noch weitestgehend am Radio oder im Trenchcoat mit Schlapphut vor Vitrinen in den Fußgängerzonen, waren Farbbildfernseher bei den darauffolgenden Triumphen 1974 und 1990 schon Normalität in den deutschen Haushalten.
Wer das nötige Kleingeld und Technik besitzt kann Fußballspiele nun in gestochen scharfer High Definition oder in 3D erleben. Jedem Leser sei an dieser Stelle ans Herz gelegt sich mal ein Spiel auf einem 3D-Fernseher anzuschauen. Ein großartiges Erlebnis. Diesem Trend beugen sich auch die Mannschaften. Bereits in Brasilien spielten sie aufgrund des besseren Fernsehbildes beim Turnier in Brasilien in Einheitsfarben. So verzichtete die deutsche Nationalmannschaft erstmals auf die traditionelle schwarze Hose und spielte fast komplett in weiss mit roten Bruststreifen.
Bei Bratwurst und Bier
Während Fußball im Fernsehen ständigem Wandel unterzogen wurde, hat das Stadionerlebnis seinen Charme beibehalten. Bei Bratwurst und Bier trifft man sich um die Lieblingsmannschaft zu sehen und anzufeuern. Sonderlich viel hat sich da in den vergangenen Jahren nicht getan. Mithilfe diverser technischer Innovationen könnte sich dies nun ändern.
Hologramme könnten eine solche Innovation sein. Bereits im Mai ließ man bei einer Preisverleihung den verstorbenen Michael Jackson realitätsgetreu über die Bühne tanzen. Eine Universität in China plant eine Vorlesung von Albert Einstein abhalten zu lassen. Der Vorstellungskraft dieser technischen Möglichkeit sind keine Grenzen gesetzt. Spannt man es weiter, könnten bald Fans von Real Madrid oder Manchester United, die gerade auf dem amerikanischen Kontinent eine große Anhängerzahl haben, ihre Helden live und realitätsnah vor Ort im Stadion sehen, obwohl das Spiel in Europa stattfindet. Dadurch würden Übertragung und Stadionerlebnis miteinander vermischt.
Keine Fantasterei mehr
„Es ist keine Fantasterei mehr, sich eine Partie mit Hologrammspielern live vorzustellen“, führt Professor Sascha L. Schmidt an, seineszeichens Leiter des Center for Sports and Management der WHU Düsseldorf. Profitieren könnten dadurch einerseits zahlreiche Fans unter anderem in Asien, wo es genug zahlungskräftige Fans gäbe, die ihre Lieblingsspieler live und in Farbe sehen wollen. Andererseits ließen sich dadurch für die Clubs hohe Gewinne erzielen, wenn die Möglichkeit besitzt nicht nur in Madrid, sondern gleichzeitig auch in Dehli oder Peking Stadien zu füllen. Ob diese visionäre Idee tatsächlich irgendwann auch Realität werden könnte, dürfte von den nächsten zehn Jahren abhängen, so Schmidt.
Soweit muss man aber gar nicht gehen. Verändert hat sich schon etwas. Mit der Ausrichtung der WM 2006 hat ein Umdenken stattgefunden. Multifunktionsstadien mit Tartanbahn, die nur teilweise überdacht waren, sind modernen Arenen gewichen. Überall sind die Ränge steiler und höher geworden. Dadurch konnten die Clubs die Stadionkapazitäten vergrößern, aber auch der Zuschauer ist näher ans Spielfeld und somit auch näher ans Geschehen gerückt.
Weiter revolutioniert könnte die Architektur mit einem patentgeschütztem System namens “Suprastadio”. Das Prinzip ist einfach, wie genial. Die Tribünenränge sind wellenförmig übereinander angehäuft. Dadurch sitzen 97% aller Zuschauer unter 50m vom Spielfeldrand entfernt. Derzeit sind es durchschnittlich nur 64%. Die Grundfläche des Stadions würde dadurch auch um die Hälfte reduziert , wodurch zum einen Bodenressourcen gespart und zum anderen die Atmosphäre verbessert werden würde. Gespräche mit Interessenten aus Deutschland, Italien und Holland für den Bau eines solchen Stadions für 2016 gibt es bereits.
Auch in 20 oder 50 Jahren immer noch Stadionerlebnis?
Unkomplizierter und jetzt schon überall anwendbar ist die Digitalisierung mithilfe von Smartphones im Stadion. Bayer Leverkusen ist in dieser Hinsicht Vorreiter. Im Stadion gibt es überall kostenfreies W-Lan und über eine App lassen sich während des Spiels Statistiken und Zeitlupen von strittigen Spielszenen anschauen. Aber auch logistische Probleme, wie überfüllte Eingänge oder Toiletten, sollen sich dadurch lösen lassen.
Sollten sich so genannte Smart Glasses, also digitale Brillen, durchsetzen, so könnte es weitere innovative Möglichkeiten geben das Stadionerlebnis weiter auszugestalten, so Schmidt. Denkbar wäre, dass Spieler mit Minikameras rumlaufen und der Fan sich, wie in der Formel 1, wo es schon seit Jahren On-Board-Kameras gibt, einklinken kann und das Spiel aus Sicht seines Lieblingsspielers verfolgen kann.
Wie man den Fußball dann in 20 oder 50 Jahren tatsächlich erlebt, wird wie oben schon angesprochen die Zeit zeigen. Vielleicht ist das Stadionerlebnis aber auch so populär, gerade weil es ohne technischen Schnickschnack auskommt und man für 90 Minuten dem ohnehin schon digitalisierten Alltag entfliehen kann. Wenn man sieht, wie sich breite Fangruppen gegen die Kommerzialisierung im Fußball organisieren, darf man gespannt sein, wie diese mit der Technologisierung des Sports umgehen. (welt/ forgsight)