Bis vor Kurzem war Tischfußball in der Türkei verboten. Trotzdem war er nie ganz verschwunden. Gefährlich war es trotzdem, am Kickertisch zu stehen und zu spielen. Über die Hintergründe eines kuriosen Verbots.
Zurzeit hört man in den Medien häufig von Freiheitseinschränkungen in der Türkei. Ein Gegenbeispiel lieferte Anfang des Jahres das türkische Verfassungsgericht, in dem es das 47 Jahre alte Tischfußballverbot aufhob. Bis vor kurzem konnte das öffentliche Aufstellen von Kickertischen, ebenso wie die Einfuhr, die Herstellung oder die Ausfuhr der Sportgeräte noch mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Illegales Glücksspiel!?
Warum fragt man sich. Was ist so gefährlich oder verwerflich an Tischfußball – der im Türkischen ‚Langırt‘ heißt – dass seine öffentliche Ausübung mit solch drastischen Strafen belegt wurde. Offiziell ging es bei dem Verbot um die Bekämpfung illegalen Glücksspiels. Als solches wurde Kicker nämlich zusammen mit Flipper und Roulette eingestuft.
Dahinter stand aber wohl weniger ein religiöser Grund als vielmehr die Angst vor linksradikalen ‚Revoluzzern‘, die Ende der 60er Jahre ja auch in Westeuropa nicht ganz ohne Grund umging. Kickertische galten als beliebter Treffpunkt aufmüpfiger Studenten, und solche Treffen wollte man gleich im Ansatz unterdrücken.
Und in der Realität?
Wie so oft – und das nicht nur in der Türkei – klafften Rechtsnormen und gesellschaftliche Wirklichkeit weit auseinander. Während der 47 Jahre andauernden Kicker-Prohibition verschwand der Tischfußball nicht wirklich aus dem türkischen Leben. Verboten war ja nur das öffentliche Aufstellen. Privat konnte weiterhin straffrei gekickert werden und mancher Gastronom oder Hotelbesitzer schaffte es, Ausnahmegenehmigungen zu bekommen.
Es gab sogar ein türkisches Tischfussball-Nationalteam sowie einige Produzenten und manchmal ließen sich sogar türkische Politiker – Präsident Erdogan inklusive – beim Kickern fotografieren. Trotzdem gab es während der Verbotszeit auch immer wieder Prozesse, die mit Verurteilungen endeten. Da half den Angeklagten auch der Hinweis auf den kickernden Präsidenten wenig.
Neue Freiheit
Jetzt, wo das langjährige Kickerverbot endlich aufgehoben ist, ergeben sich für den Tischfußballsport in der Türkei ganz neue Möglichkeiten. Nun darf auch das türkische Fernsehen über diese Sportereignisse berichten, Turniere können legal ausgetragen und Sponsoren gesucht werden. Auch Hersteller, Jugendeinrichtungen, Schulen und Kneipen dürfen jetzt ganz legal Kickertische aufstellen.
Vielleicht ein Ansporn für junge Hobby-Kicker, sich verstärkt in Vereinen zu engagieren und die türkische Nationalmannschaft nach vorne zu bringen, deren kürzlich neugegründeter Verband „Langirt Spor Tesisleri“, seit Ende 2015 dem Tischfußball-Weltverband ITSF angehört. Und vielleicht kann der Tischfußball in der aktuell schwierigen Zeit sogar als kleine Brücke zwischen der Türkei, Europa und dem Rest der Welt dienen.