Heute geht es um das Thema Momentum beim Kickern. Es ist ein häufig gebrauchter Begriff im Sport und ist zentrale Voraussetzung, um Spiele zu dominieren oder verloren geglaubte Spiele zu drehen. Was verbirgt sich eigentlich dahinter und wie könnt Ihr Euer Momentum im Spiel steuern? (Foto: ITSF)
Der Begriff Momentum wird in verschiedenen Kontexten verwendet. In der Physik kann er eine antreibende Kraft in einem dynamischen Prozess beschreiben. Wenn man beispielsweise ein großes Schiff in Bewegung setzen will, dann erfordert das viel Energie. Wenn es sich jedoch erstmal in Bewegung befindet, dann bedarf es viel weniger Energie, um die Geschwindigkeit beizubehalten. Alternativ kann man sich einen kleinen Schneeball vorstellen, der einen schneebedeckten Hügel hinabrollt. Dieser wird immer größer und schneller. Am Ende besitzt er eine viel größere Energie, als ihm am Anfang mitgegeben wurde. Dies sind klassische Beispiele von Momentum in der Physik.
Diese Bilder lassen sich nicht ohne weiteres auf Sport oder Kickern übertragen. Dies liegt vorrangig daran, dass die physikalische Beziehung zwischen den einzelnen Ereignissen fehlt. Dass man einen Pass gespielt oder ein Tor geschossen hat, macht es beim nächsten Mal nicht einfacher. Vielmehr stehen die einzelnen Bälle physisch gesehen unabhängig neben- oder nacheinander.
Momentum im Tischfußball findet auf der psychischen Ebene statt
Die Beziehung zwischen den Ereignissen ist beim Kickern auf einer anderen Ebene zu suchen. Sie existiert auf eine psychischen Ebene. So kann man durchaus feststellen, dass ein Pass oder Schuss in einer Situation viel einfacher von der Hand geht, als in einer anderen. Im Sport spricht man manchmal davon, dass ein Spieler gerade einen Lauf hat. Beispielsweise kann man es im Basketball beobachten, dass Spieler hintereinander mehrere Würfe versenken und dadurch mehr Selbstbewusstsein erlangen. Genau in dieser Weise würde ich Momentum im Sport auch definieren. Es ist eine psychologische Komponente, welche uns die Überzeugung gibt, dem Gegner überlegen zu sein oder das Spiel gewinnen zu können.
Was ist der Auslöser für ein Momentum?
Es stellt sich also die Frage, durch welche Ereignisse oder Abläufe dieses psychologische Momentum hervorgerufen wird. Häufig ist es eine Frage des konkreten Spielverlaufs. Ein solches Beispiel ist ein besonders schönes Tor – wie einen pull kick – erzielt. Ein anderes Beispiel ist, wenn man einen wichtigen Punkt (einen Satzball beim 4:4) versenkt. Wenn ein Spieler nach einem Satzrückstand den Spielstand ausgleichen kann, dann wird er motiviert und fühlt sich besser, als der Spieler, der den Vorsprung gerade verloren hat.
Beim Kickern habt ihr es bestimmt auch schon mal erlebt, dass ihr einen ewig langen Ball gespielt habt und keine Mannschaft ein Tor schießen konnte. Wenn ihr diesen Ball für euch entscheiden könnt, kann das auch eine Quelle für zusätzliche Motivation sein. Häufig beobachtet man das beim Tennis.
Wenn ein Spieler einen langen Ballwechsel gewinnt, wird dieser besonders enthusiastisch bejubelt und die Ausstrahlung des Spielers wirkt danach regelmäßig selbstbewusster. Wenn mehrere solcher gelungenen Aktionen hintereinander folgen, kann sich der Effekt auch noch vergrößern. In der Sportwissenschaft spricht man von sogenannten Momentum-Ketten.
Was ist die Wirkung?
Die Wirkung von Momentum wurde inzwischen schon ein paar Mal angedeutet. Im Ergebnis ist es ein positiver psychologischer Effekt, der ein gesteigertes Selbstvertrauen hervorruft. Dieses Selbstvertrauen kann unser Spiel und unsere Aktionen besser machen. Umgekehrt können verschiedene negative Ereignisse dieses Selbstvertrauen zerstören. Sicherlich hattet ihr schon mal das Gefühl, dass ihr auf einen Torwart kein Tor schießen könnt oder eure Pässe nicht schnell genug sind. Dieser Zweifel an eurem eigenen Spiel lässt eure Aktionen häufig schlechter werden als sie vorher waren.
Vor diesem Hintergrund könnt ihr euch ja mal das nächste Kickervideo angucken. Stellt euch die Frage, auf welcher Seite gerade das Momentum liegt. Nach meiner Erfahrung ist dies bei schwächeren Spielern häufig relativ einfach zu beurteilen. Diese lassen sich oft viel stärker durch negative Ereignisse beeinflussen. Wenn man sich ein Spiel zwischen starken Spielern anguckt, kann man meist nicht ohne weiteres sagen, auf wessen Seite das Momentum liegt. Die guten Aktionen der beiden Mannschaften wechseln sich regelmäßig gegenseitig ab und beeinflussen nicht so stark das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Der Spielstand ist oft nur ein Indikator, da dieser durch glückliche Umstände verzerrt sein kann, ohne dass sich die Spieler demotivieren lassen. Eine Eigenschaft von starken Spielern scheint mir daher zu sein, dass sie zumindest nach außen immer von der eigenen Siegesmöglichkeit überzeugt sind. Neben dem physischen Wettkampf findet also parallel immer auch ein Wettkampf auf psychologischer Ebene um das Momentum statt.
Wie kann man das Momentum steuern?
Dies führt uns zu dem interessanten Punkt, ob und wie man das Momentum steuern kann. Dabei lassen sich mindestens zwei Möglichkeiten unterscheiden. Einerseits kann man versuchen, das Momentum für sich zu erlangen oder zu verstärken. Andererseits kann man verhindern, dass man das Momentum verliert.
Um das Momentum zu erlangen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manchmal kann schon ein konzentriertes und fehlerloses Spiel ausreichen. Wahrscheinlich kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einen Satz lang keinen Fehlschuss oder Fehlpass hattet. Dies könnt ihr befördern, indem ihr jeden Ball wertschätzt, euch Zeit lasst und gute Entscheidungen trefft.
Eine andere Möglichkeit besteht in emotionalen Ausbrüchen nach gelungenen Aktionen. Viele Spieler pushen sich selbst durch einen Schrei oder entsprechende körperliche Gesten nach guten Aktionen. Als dritte Möglichkeit könnte man noch den Versuch von riskanten Aktionen nennen. Manchmal schießt man auf eine bestimmte Deckung nicht gut. Dann kann man versuchen, mit einem riskanten oder schwierigen Schuss den Gegner zu überraschen und damit die Deckung „aufzubrechen“.
Momentum nicht verlieren
Um das Momentum nicht zu verlieren, sollte man in erster Linie nie daran zweifeln, dass man das Spiel gewinnen kann. Häufig sieht man bei einer Begegnung zwischen nominell starken und schwachen Spielern, dass die Partie schon vor dem ersten Ball entschieden ist. Die nominell schwachen Spieler glauben von Beginn an nicht an den Sieg und lassen sich dann bei guten Aktionen des Gegners sehr schnell entmutigen.
Ein anderes Szenario ist, dass euer Gegner offensiv einen Lauf hat. Ihr kommt einfach nicht drauf, wie ihr ihn aufhalten könnt und Fehler scheint er auch nicht zu machen. In einem solchen Fall sollte man sich nicht davon entmutigen lassen. Manchmal kann man den Gegner einfach nicht verteidigen, immerhin hat er den Vorteil des Ballbesitzes. Konzentriert euch in diesem Fall lieber auf eure eigene Offensive.
Im Ergebnis geht es also darum sich nicht negativ emotional durch den Spielverlauf beeinflussen zu lassen. Zweifel am eigenen Spiel mögen zwar ein Schlüssel zur Erkenntnis sein, in einem Spiel jedoch sind sie oft tödlich. In diesem Zusammenhang kann auch der Artikel Wie kommt man in den Flow? hilfreich sein. Hier wird aufgezeigt, wird wie man mit Emotionen am Tisch umgehen kann.
Hallo Cornelius,
eine sehr interessante und gelungene Kicker Seite. In Bezug auf mentales Training bzw. Mindset gibt es meiner Meinung nach drei unterschiedliche Ebenen, die zum Ziel haben, in jeder Spielsituation zu einem souveränem Selbstgefühl zu finden. Die erste Ebene des mentalen Trainings ist für mich das Dokumentieren von Spielsituationen, um daraus zu lernen, welche Optionen habe ich in einer bestimmten Situation. Es geht also darum, auf Spielsituationen vorbereitet zu sein, bevor sie eingetreten sind. Wenn ich Probleme mit einer Deckung hatte, dann überlege ich zu Hause am Tisch, wie mein Gegenspieler gedeckt hat und was ich dagegen unternehmen kann. Die mentale Ebene aus der ich Selbstvertrauen schöpfe, kommt hier also aus der Vorbereitung (oder Spielerfahrung). Kommt man in eine Drucksituation, in der dein Körper viel Adrenalin ausschüttet, sind die Denkprozesse verlangsamt. Da ist es besser, wenn man die Denkarbeit schon geleistet hat und darauf zurückgreifen kann. Diese Herangehensweise ist findet sich beispielsweise in den Büchern: „Die Kunst der Höchstleistung“ und „Gut sein, wenns darauf ankommt“.
Die zweite Ebene des mentalen Spiels findet direkt am Tisch statt: Hier geht es darum, wenn man in die Defensive geraten ist und negative Gedanken produziert, wie z.B „Mein RechtsLang kommt heute nicht“ oder Angstgefühle entwickelt oder mit seinen Gedanken bei den Folgen seines Handelns ist, mentale Techniken der Selbstgesprächsregulation anzuwenden, um aus diesem Loch heraus zu kommen und wieder entspannt und konzentriert zu werden. Dieses Thema wird z.B. in dem Buch: „Mentales Training“ von Hans Eberspächer behandelt.
Die dritte Ebene des mentalen Spiels ist meiner Meinung nach das Verhalten am Tisch, also nicht das Unsichtbare wie in der zweiten Ebene sondern was will ich meinem Gegner durch Körpersprache vermitteln und wie setze ich das um. Also: wann feuere ich mich oder meinen Mitspieler an, mit welcher Haltung gehe ich an den Tisch, wie vermittle ich Siegeswillen und Zuversicht, mit welcher inneren Haltung trete ich meinem Gegner gegenüber. Zu diesem Thema kann man in den Büchern: „The inner game of tennis“ und „Die neue mentale Stärke“ etwas finden.
Ähnlich wie auch beim Techniktraining auch, reicht es nicht aus, etwas über mentales Training zu lesen. Wichtig ist es diese Erkenntnisse in einen Trainingsplan umzusetzen und zu üben. Ohne Leidenschaft bringt das nichts.
VG Kai