Was wünschen sich Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die sich gerade im Auslandseinsatz befinden, um die Freizeit im Feldlager angenehmer zu gestalten? Ganz oben auf der Wunschliste steht ein Fernseher. Gleich an zweiter Stelle wünschen sie sich einen Kickertisch. Die Deutsche Tischfußballjugend engagiert sich.

Der Vorsitzende der Deutschen Tischfußballjugend (DTFJ) und der Tischfußball-Hilfsorganisation „So viel Freude e.V.“, Engelbert Diegmann, reiste kurz vor Weihnachten gemeinsam mit dem amtierenden Tischfußball-Weltmeister Thomas Haas nach Mali. Seit 2013 sind dort Angehörige der Bundeswehr im Blauhelmeinsatz stationiert, um das westafrikanische Land gemeinsam mit rund 40 weiteren Nationen zu stabilisieren.

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Engelbert und Thomas haben für die Soldatinnen und Soldaten vier BEAST Turniertische von Ullrich Sport mitgebracht und mitten in der Sahara ein Kickerturnier veranstaltet. Warum eigentlich? Das wollten wir genauer wissen.

Herausgekommen ist ein Interview, das einen Spannungsbogen von der Bühne der Weltpolitik zum Kickertisch aufbaut. Einerseits bringen uns die Ausführungen von Engelbert die Lebenswirklichkeit der Soldatinnen und Soldaten näher, die in der Ferne ihren Dienst für die Interessen Deutschlands und Europas leisten.

Engagement als Gegenstück von Anerkennung

Andererseits konfrontiert das Interview die Tischfußball-Community mit der Frage, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen möchte. Engagement sei das Gegenstück zu Anerkennung, führte er im Gespräch aus. Er macht auf diese Weise darauf aufmerksam, dass der Tischfußball sich für die Gesellschaft engagieren muss, wenn er von dieser anerkannt werden möchte.

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Gleich vorweg stellt sich die Frage nach dem ‚warum‘? Was waren die Gründe für Dich, die Bundeswehr-Soldaten in Mali zu besuchen und dort ein Kickerturnier zu veranstalten.  

Unser Land trifft eine Entscheidung, nämlich junge Menschen in einen gefährlichen Blauhelmeinsatz nach Afrika zu entsenden. Und das ist gut. Deutschland beteiligt sich daran, zu verhindern, dass Islamisten, die allen voran aus Libyen aber auch Syrien, Afghanistan, Ägypten usw. verdrängt werden, in Mali Fuß fassen können, eine Destabilisierung stattfindet, die mittlerweile bekannten Gräueltaten einsetzen und eine weitere Fluchtwelle ausgelöst wird.

Und die Deutsche Tischfußballjugend sagt den Soldatinnen und Soldaten: Wir sehen Euch dabei. Wir hören Euch. Wir wissen, dass Ihr in Eurer Freizeit unheimlich gerne kickert und wir sind jetzt ganz für Euch da. Nur für Euch.

Wie kann man es sich denn vorstellen: Du bist zur Bundeswehr gegangen, an der Tür geklopft und gesagt​, dass du gerne ein Kickerturnier in Mali organisieren möchtest? Wie hat es sich denn wirklich zugetragen? 

Zunächst verheimliche ich nicht, dass ich selber ehemaliger Zeitsoldat bin und auch den Vorläufer des Bund Deutscher Einsatzveteranen (BDV) mitbegründet habe. Ich habe an die Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen geschrieben und sie hat mit einem zweiseitigen Brief persönlich geantwortet. Sie hat sich sehr über unser Angebot gefreut. Und so hat das ganze angefangen. Das Erste, um was Soldatinnen und Soldaten nach dem Einrichten eines Feldlagers im Ausland bitten, ist ein Fernseher. Das Zweite, was sie sich wünschen, das ist ein Kickertisch!

Was waren die Gründe, dass die Bundeswehr deiner Idee zugestimmt hat? Welchen Nutzen hatte die Bundeswehr von dieser Initiative?

Die Bundeswehr ist im Grunde eine Behörde. Die hat genauso viel oder wenig davon wie ein Arbeitsamt oder ein Einwohnermeldeamt. Aber – und das ist der Bundeswehr genauso wichtig wie uns – wir wollen, dass die Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz merken, dass wir sie so fern der Heimat nicht vergessen haben.

(CREDIT: PAO MINUSMA GAO, StFw Döhring)

Uns geht es um die Menschen, die für uns dort Dienst tun. Das Leben in Feldlagern ist für uns unvorstellbar. Es geht einher mit Einschränkungen, die wir in unserem eigenen Leben nicht hinnehmen würden, auch dann nicht, wenn es beruflich bedingt wäre und wir dafür bezahlt würden. Die Deutschen dort sind immer im Dienst, sie sind immer bewaffnet und es besteht immer die Gefahr, dass von irgendwoher mit Granaten ins Lager geschossen wird oder Anschläge verübt werden.

Sie leben in gepanzerten Wohncontainern ohne Fenster auf engstem Raum. Zugleich haben die meisten kleine Kinder daheim und Partner. Die Väter machen mit ihren Kindern Hausaufgaben und geben Gutenachtküsse via Skype. Und das über Monate. Menschen in einen solchen Dienst zu schicken ist schwere Verantwortung. Wir alle tragen einen kleinen Teil dazu bei, dass es erträglich bleibt.

Wie geht es unseren Frauen und Männern da unten in der Hitze? 

Die Hitze ist eigentlich gut verträglich, weil die Luftfeuchtigkeit zumeist niedrig ist. Das Problem ist der Staub. Alles was auf den Boden fällt – auch Kot, Urin, Öl, Müll, Schwermetalle, Abwasser, Medikamente, Farbe, was auch immer… das wird zu Staub. Dieser Staub ist sehr fein und kontaminiert. Alle müssen sich unentwegt die Finger waschen und desinfizieren. Bei manchen Soldaten ist gar keine richtige Haut mehr an den Fingern.

Was haben sie Euch auf dem Weg in die Heimat mitgegeben?

Wir als Gäste und auch die Deutschen da unten haben uns genau das gleiche gewünscht: Kommt sicher und gesund nach Hause. Sicherheit und die Unverletzlichkeit der Person sind eben nicht selbstverständlich für die Menschen im Einsatz. Bis zum Flieger sind wir mit gepanzerten Fahrzeugen gefahren. Aber Flugzeuge können beim Start natürlich auch beschossen werden.

Ja, gesund und sicher nach Hause kommen, das gibt man sich für den Heimweg mit.

Man hört, dass viele Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz das Gefühl haben, für ihre Arbeit in Deutschland nicht genug gewürdigt zu werden? Was hast du beobachtet?

Was bedeutet nicht genug würdigen? Sie werden ja nicht nur nicht gewürdigt, sie werden vielfach verunglimpft. Das finde ich, gehört sich nicht. Wir können diese jungen Leute nicht irgendwo ans Ende der Welt in große Gefahr schicken und dann noch hinterher spucken. Das gefällt wohl niemandem. Die Leute dort unten sind echte Profis und können mit Kritik gut umgehen. Wir sollten uns vielleicht weniger impulsiv benehmen.  

Wenn wir Kritik äußern, dann wäre eine gute Begründung schön. Nur zu sagen „Wir wollen keinen Krieg!“ ist etwas kurz gegriffen. Das wollen die Soldatinnen und Soldaten nämlich selber noch weniger, denn die trifft es zuerst.

Was waren die besonderen Momente während Eurer Zeit in Mali?

Das war ganz sicher die Landung in der Hauptstadt Bamako. Wenn Du an Bord eines ehemaligen Urlaubsfliegers der Lufthansa sitzt, und das ist diese A310-300 „Kurt Schumacher“, und dann ziehen plötzlich schwerbewaffnete Soldaten mit Sturmgewehren auf und sichern unter Einsatz ihres Lebens dein Leben. Ab diesem Zeitpunkt waren wir rund um die Uhr beschützt und die Großteils sehr jungen Menschen hätten zu jeder Zeit sofort ihr Leben für uns riskiert. Das fand ich sehr beeindruckend und das treibt mir jetzt noch die Tränen in die Augen.

Man hatte den Eindruck, dass deine Aktion die Tischfußball-Community gespalten hat: Es gab viele positive Stimmen, es gab auch kritische Stimmen? Was fand die Community toll und was waren die Kritiken?

Jeder hat das Recht, sich eine Meinung zu bilden. Das ist ja auch ein wichtiges Thema: Engagieren wir uns in Afrika gegen die Fluchtursachen oder setzen wir in Bayern eine Obergrenze dagegen und bleiben daheim. Ich stelle ja auch ab und an Fragen zurück, wenn mich jemand anschreibt: Wie viele Menschen leben in Mali? Wie heißt der Präsident des Landes? Warum sind wir da und welche UN-Resolution ist die Gesetzesgrundlage dafür…? Da kommt überraschend wenig zurück.

Mir ist es aber schon wichtig, dass verstanden wird, dass alles zusammenhängt und wer wir sind. Wir können nicht mit der Weltgemeinschaft Wale und Klima retten, uns bei unangenehmen UN-Einsätzen aber nicht oder nicht angemessen beteiligen wollen. Wir können nicht die Franzosen in Konflikten alleine lassen, aber gleichzeitig Europa so mitgestalten wollen, wie wir das wünschen.

Deutschland ist eines der reichsten und eines der einflussreichsten Länder auf diesem Planeten, eine Großmacht. Unser Wort hat globalen Einfluss. Damit geht aber auch eine andere Verantwortung einher. Wir können nicht ewig den zweiten Weltkrieg als Tarnkappe verwenden. Das trägt nicht mehr. Von Deutschland wird mehr erwartet.

Du engagierst dich sehr breit für den deutschen Tischfußball: über die Jugendarbeit und Kickercamps über „So viel Freude“ und der Kickertisch-Spendenaktion für Kinderspitäler bis zur Bundeswehr-Initiative. Wie passt das alles zusammen?

Alles was wir tun, hat im Wesenskern eine gemeinsame Frage: Wie kann die Gesellschaft vom Tischfußball profitieren? Das ist eine ganz wichtige Sache für unseren Sport! Wenn wir keinen wirklichen Nutzen für die Gesellschaft haben, dann werden wir auch nicht gebraucht – und somit auch nicht gefördert. Das ist ein Zusammenhang, den wir dringend erkennen müssen. Wir wollen etwas von der Gesellschaft. Der Tischfußball möchte anerkannt sein. Das ist gut. Dann muss er sich gesellschaftlich engagieren, denn Engagement ist das Gegenstück zu Anerkennung.

Wir sind die „Engagement-Abteilung“ des Tischfußballs. Wir reichen in die Gesellschaft hinein und versuchen mit Tischfußball vielen Menschen Freude zu bereiten. Wir erfreuen die Leute von der Kinderkrebsstation bis in die Sahara. Der Stabhochsprung kann das nicht.

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War die Mali-Aktion einmalig?

Nein. Im März fliegen wir mit Raphael Hampel und Thomas Kroll noch einmal nach Mali, um eine andere Mission zu besuchen. Anfang Juni wollen wir mit Raphael und Christian Deutinger vier BEAST-Turniertische und viel Spaß und Freude nach Afghanistan bringen.

Engelbert, ich danke Dir für das Interview!

Das Interview führte Kamuran Sezer.

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