Der Fußball ist heute hoch technisiert. Die Spieler müssen viel mehr können, sich viel weniger leisten und eine Präzision erbringen, das sie manchmal wie Maschinen wirken. Die Datenpools über die Fußballer haben den Sport verändert und werden es noch massiv tun. Fußballer werden gläserne Produkte von neuen Systemen.
Moderner Fußball basiert auf One Touch Football, bei dem der Ball bei den wirklich guten Mannschaften von heute dauerhaft rotiert. Die Spiele werden nicht mehr von den bärenstarken Einzelspielern gewonnen, nicht mehr mit solchem Einfluss wie vor 15-20 Jahren. Natürlich wundert diese These, wenn man an Arjen Robben, Cristiano Ronaldo, Messi und Co. denkt. Aber gerade diese drei Fußball-Giganten sind Produkte des hoch modernisierten und technologisierten Fußballs unserer Zeit.
Wenn man sich Real Madrid im Stadion anschaut, dann sieht man das Verhalten von Cristiano Ronaldo auf dem Platz am besten. Er arbeitet hart, kämpft wie ein Flügelverteidiger mit, aber ruht sich in großen Abständen auch aus, um nicht zu sagen, er steht manchmal länger, als er läuft. Wie ist das möglich, ohne das ein Spieler seine Mannschaft in seinen Standby Phasen alleine lässt? Wenn Real trotz ihm spielen muss wie 10 Mann auf dem Platz?
Von Ronaldo zu Overmars
Das gesamte Spiel von Real Madrid ist darauf aufgebaut, das Ronaldo sein volles Potential ausschöpfen kann. Dafür müssen die idealen Voraussetzungen erzeugt werden. Während Ronaldo sich auf seinen nächsten tödlichen Sprint vorbereitet, verfolgt er mit höchster Präzision den Ball und versucht die beste Möglichkeit zu antizipieren. Sobald der Rest der Mannschaft den Ball erobert, gleichzeitig die Laufwege der entsprechenden Gegner, die Ronaldo verhindern könnten, sperren, schaltet Ronaldo um. Bei seinem von Störfaktoren beseitigtem Antritt und Sprint haben danach bekanntlich die allermeisten Verteidiger keine wirkliche Chance. Aber man wundert sich im Stadion, wie lange und wie häufig ein Ronaldo sich sprintlos ausruhen kann.
Ich vergleiche diese Spieler mit den ehemaligen Stars. Zu Ronaldo fällt mir persönlich Marc Overmars ein, der Holländer, der bei Barcelona spielte. Overmars war ein Spieler auf gleicher Position, der jede Sekunde gerannt ist. Ich habe ihn nur wenige Male in ausruhender Lage auf dem Feld erlebt. Das war bei Positionen nach ununterbrochenen Sprints von kilometerlänge. Aber auch dann nur relativ kurze Verschnaufpausen. Aus einem bestimmten Grund. Die Spieler von heute müssen mehr können. Sie haben nicht nur die Verantwortung über ihre Positionen, sondern der Trainer gibt ihnen vor den Spielen immer präziser Anweisungen. Die Spieler werden wie eine Präzisionsmaschine aus der Industrie eingestellt und modifiziert. Jeder Gegenspieler hat bestimmte Reflexe und Bewegungsmuster. Diese werden den eigenen Spielern erklärt und durch Videotrainings auch mehrmals gezeigt. Früher hat man sich auch auf Gegenspieler vorbereitet, aber damals mussten Trainer Kassetten einlegen und mit dem Stift in der Hand auf die Röhre zeigen und gleichzeitig Notizen an die Tafel machen. Heute sind es interaktive Räume, in denen man das Gefühl von echtem Kino bekommt.
Der digitale Ronaldo
All diese Beobachtungen werden durch neueste Technologie und speziellen Kamera-PC-Systemen ermöglicht. Die Spieler sind für Trainer und Analysten teilweise pure Daten. Statistiken werden immer genauer. Um genau diesen Ronaldo auszuschalten, gibt es vor dem Spiel ein ausführliches Referat. Der eigene Spieler hört wohin sich Ronaldo den Ball hinlegt, wenn er den Antritt mit dem linken Fuß beginnt statt dem rechten. Man weiß, welche Dribblings Ronaldo die letzten 2-3 Wochen bevorzugt und in welchen Bedrängnissituationen Ronaldo welche Tricks anwendet. Der digitale Ronaldo ist durchschaubarer und gut zu verteidigen, wenn nicht das letzte Fünkchen Genialität in ihm stecken würde. Noch haben die Entwickler den Spieler nicht vollständig gläsern bekommen, aber eine Reise dorthin geht in voller Geschwindigkeit weiter.
Zinedine Zidane, einer der größten Fußballer der Fußballgeschichte erklärte bei einer Pressekonferenz: „Spieler von heute müssen viel mehr leisten und arbeiten als wir damals. Der Fußball hat sich sehr verändert.“
Laut einer Reportage in der Süddeutschen Zeitung entwickeln aktuell Ingenieure der SAP eine Software. Mit diesem System arbeiten bereits einige wichtige Mannschaften, mitunter die DFB Elf. Die 7:0 Niederlage Brasiliens war auf der anderen Seite ein perfekt geplantes und umgesetztes Systemspiel der Deutschen Nationalmannschaft. Der Sieg des technischen Fortschritts und der Innovation im Fußball macht aus dieser Halbfinalbegegnung ein Spiel für die Fußballgeschichte.
Aber für mich als Zuschauer hat dieses Spiel nach einer kurzen Zeit den Eindruck erweckt, als wäre es ein Spiel an der Konsole, gegen einen Freund, den ich gerade aus dem Schlaf gerissen und ihm den Controller in die Hand gedrückt hätte. Ich weiß, das die meisten keine große Freude über diesen Sieg empfinden konnten, da es schlicht langweilig wurde. Das sind auch Nachteile, die einen Fußball-Fan nachdenklich machen.